Die Bluatschink-Sage
Der Bluatschink - der bease - wo taucht denn der auf?
Wo kinnt denn der her, fråga d´Leit.
I will´s enk erzähla, drum passat guat auf,
damit´s koana Fråga mehr geit.
Dåsölls doch vur viela, vur hunderta Jåhr
im Lecht´l an König get håba.
Den "Lechtal König", so hat ma ihn g´nennt,
den gånz furchtbår eitla Knouba.
Jå eitel, des war er. Und er war so stolz:
"Ich bin doch der schönste im Tal.
Geschnitzt aus einem besonderen Holz.
Häßlich-sein wär mir ´ne Qual!"
Tja, so håt er g´redt, der Lechtal-König.
håt sich wia a Giggalar g´stellt.
Doch schea sei alloa, des wår ihm no z´weanig,
er håt no viel mehr håba g´wöllt!
"Die schönste Gestalt auf der ganzen Welt
verschafft mir noch kein Hochgefühl!
Ich möcht´ mich verwandeln, wie´s mir grad gefällt,
möcht´ so ausseh´n, wie ich es will!"
Des wår hålt der Wunsch vo dem König, dem eitla,
und der håt ihn lång scho geplagt.
Und wia söll i enk des såga, es liaba Leitla,
er håt hålt an Zauberer gfrågt.
Zum Zauberer Thordol, zu dem håt man g´schickt,
und er måcht sich glei auf die Roas.
Zum Zauberer Thordol, dem jed´s Kunstück glückt
und der ålle Zaubersprüch woaß!
"O mächtiger Thordol, der schönste auf Erden
das bin ohne Zweifel wohl ich!
Doch möchte ich unbedingt noch schöner werden,
drum wend´ ich mich heute an dich!
Du mußt mir die einzige Bitte vergönnen,
die ich heut´ noch hab´ auf der Welt.
Ich möcht´ die Gestalt, das Gesicht ändern können,
gerade so, wie´s mir gefällt!"
Der Thordol, der denkt sich: "Na, des isch mir oaner,
wia kånn ma den då blos heila?
So eitl wia der då, so eitl isch koaner.
Dem muaß i a Lehre erteila!"
Er saht zu dem König: "Es isch går koa Fråg,
i kånn dir an Zaubertrånk geba.
Doch du muasch mir folga, muasch tia, wås i såg
siensch wirsch numma glücklich im Leba!
I gib dir a Saftle, des dearfsch du it trinka,
bevor du dahoam bisch im Schloß.
Sienscht wirsch du verwåndelt und fångsch o zum stinka,
und es erkennt di it amål dei Roß!"
Dem König, dem taugt´s und er zåhlt mit viel Gald
und er dankt hålt dem Zauberer sehr.
Båld scho isch er da scheanscht Mensch auf der Walt,
dann verwandelt er sich hin und her!
Doch wia er so hoamgeaht, då schiaßt ihm durchs Hira:
"Des Verwåndla, des war doch a Gaudi!
Warum also söll i ´s it iatz sch probiera?"
Und a innere Stimme saht: "Trau di!"
Und er traut sich, der König, gråd wia er zum Lech kinnt,
setzt er sich glei hi auf an Plåtz.
Und wia er des Flaschle mit dem Zaubertrånk nimmt,
då trinkt er es aus auf oan Såtz!
Und wirklich! Er merkt, daß då eppas passiert,
daß ålles in ihm richtig brodelt.
Und wia er dia gruaße Verwåndlung då gspürt,
då håt er a Gaudi und jodelt!
"Juche und juchu! Dieser Zauber ist gut!
Na also, es geht ja nichts schief.
Es kribbelt die Haut und es kocht schon mein Blut,
doch warum wird die Stimme so tief?
Das klingt ja ganz schrecklich und ich wer´d immer blasser,
und auch mein Gesicht brennt wie Feuer.
Und ich suche mein Spiegelbild drüben am Wasser.
Oje, ich bin ein Ungeheuer!"
Und wirklich, des G´sicht, isch schwårz, wia die Nåcht,
und schuppabedeckt isch dia Haut!
Der Zaubertrånk håt ihn zum Monster gemacht,
drum schreit er und schinpft iatz gånz laut!
Und er wünscht sich, daß er gria wird, oder braun oder ruat
und er ändert sei G´stalt hin und her.
Des Verwåndla, des geaht iatz o wirklich sehr guat,
nur a Mensch - na, des wird er nia mehr!
Er håt an Zura und brüllt und beklagt laut sei Pech.
Na so traut er sich numma unter d´Leit.
Und vur lauter Verzweiflung hupft er inni in Lech,
weil´s für ihn koan Ausweg meah geit!
Und im Lech dinna bleibt erund er schwimmt umadum
und er wird mit der Zeit wia a Fisch.
Bei da Menscha, då spricht es sich glei scho herum,
daß im Lech dinna a Ungeheuer isch!
Koaner woaß, wia es aussiecht, koaner kennt es genau,
weil es ålba sei G´stålt ändra ko.
Amål isch es ruat und amål isch es blau.
Wenn es kinnt, då rennt jeder davo!
Denn ma woaß, daß des Viech då gånz grantig sei ko
und då beißt es an jeda in Schinka.
Vor allem die Kinder, dia jågt er davo,
wås o guat isch, sienscht tata sie ertrinka!
Des Viech då im Wåsser håt ma Bluatschink gnennt,
wia er aussiecht, isch heind no it g´wiß.
Doch wenn er mål kinnt, isch es besser, ma rennt,
weil er håt a riesig´s Gebiß!
Doch inzwischa tuat er numma Kinder entführa,
sondern d´Erwachsana, dia da Mull in Båch schmeißa,
dia Staumaura baua und oll´s zuabetoniera,
jå dia werd wohl d´r Bluatschink beißa!
Wassermann
Der Kropemann - ein Wassergeist der Attert und Symbol der Ortschaft Redingen
Der luxemburgische Verwandte des lechtaler Bluatschinks ist der Kropemann. Markus konnte ihn in Redange (oder Reiden: luxemburgische Orte haben fast immer 2-sprachige Namen) entdecken. Der Ort liegt im Westen von Luxemburg in der Nähe der belgischen Grenze am Fluss Attert.
Der 'Kropemann' ist eine in zahlreichen Ländern Europas mit unterschiedlichen Namen bekannte Sagengestalt, die in der Glaubenswelt der vergangenen Jahrhunderte einen wichtigen Platz einnahm, und deren Wurzeln bis tief ins Altertum zurückreichen. Im Moselraum jenseits der Grenze bezeichnet man ihn als 'Krappenmann', in anderen Gegenden Deutschlands als 'Hakenmann', im Elsass als 'Hokemann', im belgischen Grenzraum heisst er 'Pépé-Crochet', in Lothringen 'Henri-Crochet', in Flandern 'Manneken-Haak'.
'Kropemann' ist die speziefisch luxemburgische Bezeichnung für den bösen Wassermann (auch: Nöck, Nokk, Nix, Neck, Näck, Nickert, Flussmann, etc.), der als Widersacher der Menschen überall im Wasserbereich anzutreffen ist: in Brunnen, Quellen, Tümpeln, Weihern und Flußläufen. Beständig liegt er hier auf der Lauer, um Vorbeigehenden mit seinem typischen Fanggerät, der Hakenstange (dem 'Krop'), zu erhaschen. Gelingt es ihm, so entführt er seine Opfer - vor allem Kinder - in die Tiefen des Wassers, um sie hier festzuhalten, damit sie ihm mühselige Dienste verrichten. Manchmal entpuppt sich dieser Menschenfänger gar als totbringender Dämon, der seine unglücklichen Gefangenen gnadenlos verschlingt. Dieser gefürchtete Wasserspuk hat aber auch seine guten Seiten, und hierzu zählt die ökologische Schutzfunktion, die er an den Ufern der Attert dadurch erfüllt, dass er Umweltfrevler vor Missetaten abzuschrecken versucht.
Zum Kropemann gibt es ein Gedicht, den Eltern früher ihren Kindern vorgetragen haben, um sie
vom Dorfbrunnen fernzuhalten.
Thibo bereitete uns den Text mitÜbersetzung auf. Das Gedicht
gehört nach seinen Angaben zum Luxemburgischen Kulturgut.
De Kropemann
Am Pëtz do sëtzt den Kropemann.
Wat mecht hien an dem Waasser dran?
E lauert matt der Kropestaang,
bis dass en d'Këndchen - jupps gefaang.
Wat wëllt e matt dem Këndche man?
E späert et a säin Keller an,
do ass et däischter, kal an naass.
T'léift Këndche get rem gäer op d'Gaass,
t'dëerf nët méi bei séng Mama goën.
Duerfir méng hierzeg Zockergrëtz,
bleif schéin ewech vum déiwe Pëtz
a kuck dach nëmmen nët méi dran,
soss kënnt de béise Kropemann.
E kropt dech an d'Zéif -
komm huerteg méng Spréif.
Der Hakenmann
Im Brunnen sitzt der Hakenmann.
Was macht er in dem Wasser drin?
Er lauert mit der Hakenstange,
auf dass er kleine Kinder fängt.
Was will er mit dem Kindlein tun?
Er sperrt es in seinen Keller,
dort ist es finster, kalt und nass.
Das Kindlein möchte wieder in die Gasse,
nun darf es nicht zur Mutter heim.
Daher mein herziges Zuckerpüppchen,
bleib schön dem tiefen Brunnen fern,
und schau bloß nicht wieder hinein,
sonst kommt der böse Hakenmann.
Er zwickt dich in den Zeh -
Komm rasch mein kleiner Schatz.